Bossu Belge gescheckt intensiv.
Bossu Belge gescheckt intensiv. Der Kopf ist leicht gesenkt, sodass die hochgezogenen Schultern den höchsten Punkt einnehmen.

Kurzinfo zur Kanarienrasse Bossu Belge

Der belgische Nationalvogel Bossu Belge war fast ausgestorben. Mitte des 20. Jhd. konnte diese uralte Figuren-Kanarienrasse davor gerettet werden. Er ist vermutlich die Kanarienrasse, von der alle anderen Figurenkanarien abstammen. Die Arbeitshaltung mit vorgestreckten Hals kann der Vogel nur zeitweise einnehmen.

Inhaltsverzeichnis

Die Geschichte des Bossu Belge

Versucht man in der deutschsprachigen Literatur die Historie des Bossu Belge zu rekonstruieren, wird man nur bedingt fündig und kein Autor bringt so wirklich Licht in die Entwicklungsgeschichte dieser Rasse. Dr. Karl Ruß beschreibt 1880 in „Der Kanarienvogel“ die glattbefiederten „Brüsseler“ Kanarien mit ungemein gekrümmtem Rücken (Katzenbuckel) und kleinem, zierlichen Köpfchen als Unterrasse der Holländer Vögel.

Gleichzeitig führt er eine Schilderung von Louis Vander Snickt aus Brüssel über den belgischen Kanarienvogel (Serin belge, Belgian Canary, groote gentsche vogels) an und spricht von einer sehr alten Rasse, die seit hundert Jahren, also seit 1780, besteht und in Gent, Brügge, Brüssel und Antwerpen sogar rassebezogene Vereine aufweisen konnte. Die nachfolgende Beschreibung gibt recht treffend die Rassemerkmale des Bossu wieder und bezeichnet das Aussehen der Vögel mit „geierartiges Aussehen“. Allerdings spricht Ruß an keiner Stelle vom „Bossu“ sondern bleibt bei der Begrifflichkeit „Holländer Vogel“ oder „belgischer Kanarienvogel“.

Bossu Belge um 1888
Bossu Belge um 1888. Zeichnung von Louis Vander Snickt.

Auch ein Bezug zum Scotch ist in seiner Ausführung zu erahnen, denn Ruß schreibt damals, dass ein gekrümmter Rücken fehlerhaft ist. In der Ausgabe von 1901 findet man zwischen Seite 46 und Seite 47 sogar eine Farbtafel, die den Brüsseler Kanarienvogel (heute: Scot Fancy) und den belgischen Kanarienvogel (heute: Bossu Belge) zeigt. Diese offenkundige Verwechslung korrigiert er allerdings in einer späteren Ausgabe wieder.

Brandner widmet 1881 in seiner Schrift „Der Harzer Kanarienvogel“ dem „Brüsseler oder Belgier“ ganze 4 Sätze. Von Historie zu dieser Rasse keine Spur. Eine genauere Beschreibung dieser Vögel folgt dann später im Buch bei der „englischen Abart“ – dem Scot – allerdings wieder unter dem Namen „Belgier“. Anscheinend waren auch Haubenvögel unter den „Belgiern“ zu finden, denn Brandner weist darauf hin, dass diese „gehaupten Belgier“ sehr geschätzt sind. Auch Dr. E. Bade beschreibt in seinem 1895 erschienenen Buch „Die Stuben-Vögel“ lediglich das Aussehen des Brüsseler Vogels und geht mit keinem Wort auf die Historie ein. Auch er benutzt den Begriff „Bossu“ noch nicht. Noorduijn schreibt 1905 in seinem Buch „Die Farben- und Gestaltskanarien“, dass er auf verschiedensten Wegen versucht hat, ein belgisches Buch über den Bossu zu bekommen – vergeblich. Auch seine Kontakte zu belgischen Züchtern und Händlern brachten nicht den gewünschten Erfolg und er trifft ein wenig resigniert die Feststellung, dass aus dem eigentlichen Mutterland des Bossu keine „gute Beschreibung betreffs Abkunft, Fortzüchtung usw.“ überliefert worden ist. Mit Bedauern stellt er fest, dass man nicht umhinkommt, die englische Literatur als Quelle zur Geschichte des Bossu zu nutzen.

Auch Aschenbrenner geht in seinem Büchlein „Der Farben- und Gestalts-Kanarienvogel“ mit keinem Wort auf die Historie des Bossu ein, führt allerdings auch die Namen Genter, Brüsseler und Brabanter auf. Auffällig ist, dass Noorduijn und Aschenbrenner die Rassebezeichnung Bossu verwenden und nicht, wie heute üblich, Bossu Belge schreiben. Hierzu muss man wissen, dass das heutige Königreich Belgien bis 1830 zu den Niederlanden gehörte und man somit keine Veranlassung hatte, im Rassenamen die Rasseherkunft „Belgien“ zu verwenden.

Aber auch in der englischen Literatur wird man nur schwerlich fündig. So schreibt Francis Smith in „The Canary“ 1878, dass, obwohl diese „Belgians“ so beliebt sind und Liebhaber hohe Preise hierfür zahlen, so wenig zu dieser Rasse geschrieben wurde. Er führt aus, dass selbst Bechstein den „Belgian“ mit keinem Wort erwähnt und alle weiteren bekannten Autoren dieser Zeit seinem Beispiel folgen und nichts schreiben bzw. nur sehr Generelles recht kurz abhandeln.

Gleiches gilt für Wallaces Werk „The Canary Book“ 1892 London/1893 New York. Er schreibt, dass selbst die ältesten ihm bekannten Züchter in Belgien nicht in der Lage sind, eine befriedigende Auskunft zur Entstehungsgeschichte des „Belgian“ zu geben. So verzichtet er letztendlich gänzlich auf etwaige Aussagen zur Historie dieser Rasse und bezeichnet sie ein wenig trotzig, ohne weitere Ausführungen zu machen als etablierte, altbestehende Kanarien-Rasse.

Alleine schon vom Titel her verspricht das Buch „Scotch Fancy and Belgian Canary“ von John Robson aus dem Jahre 1903 eine geeignete Quelle zur Historie des Bossu zu sein. Auch Robson spricht vom „Belgian Canary“, stellt aber heraus, dass mit diesem Begriff zur damaligen Zeit sämtliche in Belgien gezüchtete Varietäten, und zwar auch frisierte Kanarien, bezeichnet wurden. Er unterscheidet diese belgischen frisierten Kanarien von dem „highshouldered Belgian“ – dem Bossu mit hohen Schultern. Aber auch Robson geht nicht sonderlich auf die ursprüngliche Entstehungsgeschichte des Bossu ein. Sicherlich war in den Anfangsjahren der gezielten Kanarienzucht und der differenzierten Ausarbeitung bestimmter Rassemerkmale eine enorme Variationsbreite der einzelnen Vögel gegeben und man konnte mit Bestimmtheit einen fließenden Übergang der einzelnen Rassemerkmale beobachten. Dies erklärt auch die Aussage verschiedener Autoren, dass so mancher Züchter beispielsweise seine Nachzuchten als Scotch oder als Bossu zur Schau stellte – gerade so, wie es eben passte. Robson berichtet auch davon, dass insbesondere in der früheren Entwicklungszeit der Rasse frisierte Vögel eingekreuzt wurden, um Verbesserungen in Bezug auf die Größe und den Stand zu erlangen. Leider hatte dies recht häufig einen negativen Einfluss auf die Gefiederstruktur und loses Gefieder war die Folge, obgleich diese Vögel die gewünschte Ausformung der Schulterpartie zeigten. Man befürchtete, dass diese negativen Gefiedereigenschaften nicht beseitigt werden konnten und recht schnell sollte es verpönt sein, rassefremdes Blut zur Zucht der „high shouldered Belgians“ einzusetzen. Es gelang im Laufe der Zeit, durch geschickte Verpaarung das Problem der Restfrisuren und des losen Gefieders aus der Einkreuzung der Frisé-Kanarien in Griff zu bekommen. Allerdings war hierdurch nach einiger Zeit die Blutsführung so eng, dass man zur Blutauffrischung Anleihen beim Scot suchte. Recht schnell waren die Auswirkungen dieser Anleihen erkennbar und Robson beschreibt, dass die „Belgians“ früherer Zeit viel breiter in der Schulter und im Rücken waren und zudem noch mehr Körpervolumen besaßen. Recht treffend beschreibt er die sichtliche Vermischung der Rassemerkmale des Bossu mit denen des Scot zu Beginn des 20. Jahrhunderts – schmale Schultern, schmaler gerundeter Rücken mit in die Rundung eingepasstem Schwanz, anstatt gerader Rückenlinie mit starrem, geradem Schwanz. Resümierend stellt Robson fest, dass zu dieser Zeit nur sehr wenige reine und unverfälschte Bossu zu finden waren. Allerdings berichtet er von einer Vogelschau in Barnstaple im Jahr 1902, wo einige sehr gute gescheckte „Belgians“ ausgestellt wurden.

Eine weitere Quelle zur Historie des Bossu Belge ist das 1923 erschienene Buch „Canaries“ von C. A. House. Gleich zu Beginn des Kapitels „The Belgian“ beklagt House, dass noch vor 40 Jahren alle Schauklassen der größeren Vogelschauen mit 20 Vögeln und mehr beschickt wurden – um 1920 könne man 20 Schauen besuchen, ohne auch nur einen einzigen Bossu zu sehen. Die von Robson nur einige Jahre zuvor beschriebenen Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Alle guten Belgians waren im Laufe der Zeit von Scot-Züchtern aufgekauft worden, verbunden mit dem Ziel, die eigenen Scots in Bezug auf das ruhige Wesen, die Arbeitshaltung und die Breite der Schultern zu verbessern.

Bossu Belge um 1887.

Das Ergebnis war eine starke Vermischung der Rassemerkmale sowohl bei den Belgians als auch bei den Scots und führte letztendlich dazu, dass sowohl die Britischen Inseln als auch Kontinentaleuropa recht bald aller guten Belgians beraubt waren. Zudem hatte der Erste Weltkrieg (1914–1918) dazu beigetragen, dass die übrigen in Belgien verbliebenen Exemplare verloren gingen. Nur wenige Exemplare, die allerdings nicht im Geringsten mit den Spitzenvögeln vor dem Kriege vergleichbar waren, konnten über die Zeit gerettet werden und so schreibt House die Zucht der Belgians im Mutterland der Vergangenheit zu. Eine Wiederbelebung der Rasse konnte seines Erachtens nur durch Scots mit zu gerader Rückenlinie von den Britischen Inseln erfolgen. Aber die Rekonstruktion der Rasse verlief ganz anders, als House sie prognostiziert hatte.

Der Bossu Belge am Rande des Aussterbens

Um 1920 sollen nur noch beim Züchter Meewens Robbens in Anvers (Belgien) einige Bossu überlebt haben, die allerdings wegen der stark zurückgegangenen Vitalität und Fruchtbarkeit der Rasse recht schnell vollständig verschwunden gewesen sein sollen. 1924 traten die Namen der belgischen Züchter Cambeau und Dawans in Erscheinung, die verbunden mit dem Gedanken, dass der Bossu ausgestorben sei, sich der Rekonstruktion und der Rettung dieser Rasse verschrieben. Sie bedienten sich insbesondere der Rassen Malinois (Mechelaar), Südholländer und Yorkshire (alter Typ) als Ausgangstiere für ihre Rekonstruktionsbemühungen, denn in diese Rassen wurden in der Vergangenheit Belgians eingekreuzt. Durch einen glücklichen Zufall machte Dawans 1937 Bekanntschaft mit einem Züchter namens Lapaille, der zu seiner Verwunderung doch noch einige wenige reine Nachzuchten aus dem Bossu-Stamm des Züchters Robbens besaß, deren Qualität allerdings leider sehr zu wünschen übrigließ. Gemeinsam verpaarte man zunächst diese Vögel mit den erfolgversprechendsten Exemplaren aus Dawans Kreuzungsergebnissen. Zu strenge Zuchtauswahl und der wiederum hiermit verbundene Rückgang der Vitalität und der Fruchtbarkeit führten dann letztendlich in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erneut dazu, dass die Existenz der bis dahin rekonstruierten Rasse abermals gefährdet schien. So besaß Dawans zu Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 noch lediglich 10 Zuchtpaare, verlor alsdann im Verlauf der Ardennen-Offensive im Winter 1944 alle verbliebenen Exemplare. Lapaille verstarb noch vor dieser erneuten Katastrophe für die Rasse Bossu im Jahre 1941.

Trotz des erneuten Rückschlages machte sich Dawans dann 1952 ein weiteres Mal daran, aus bezahlbaren Restbeständen von Figurenkanarien belgischer Züchter den Bossu zu rekonstruieren. Durch seine Erfahrungen und Erkenntnisse aus den vielen Generationen der Vorkriegsjahre konnte er diesmal recht schnell erste Vögel mit gut erkennbaren Rassemerkmalen hervorbringen. 1962 ereignete sich dann das nächste Desaster. Durch eine Krankheit in seinem Bestand verlor er in diesem Jahr 160 bis 180 Vögel und seine Zucht wurde stark dezimiert. Fast war Dawans Arbeit erneut zerstört worden und alleine hätte er sich sicherlich nicht wieder ans Werk gemacht. Von den wenigen überlebenden Vögeln übernahm dann Joseph Watrin fünf Hähne und drei Hennen. Weiterhin wurden zwei Hähne vom alten Yorkshire-Typ des Züchters Clermont hinzugenommen, die letztendlich halfen, die Größe zu verbessern und sie brachten somit den gewünschten Erfolg.

Bossu Belge weißgrundig

Seitdem widmen sich jährlich mehr und mehr Züchter dem Bossu und die Rasse erlebt zurzeit, sowohl national als auch international, einen enormen Aufschwung.

So trägt die Rasse heute den Namen Bossu Belge und honoriert durch diese Namensgebung die Bemühungen von Adrien Dawans aus Lüttich und allen weiteren engagierten Züchtern in Belgien.

Beschreibung und Merkmale der Rasse

Die Rasse Bossu Belge ist den glattbefiederten Figurenkanarien zugeordnet, deren Hauptmerkmale die rassetypische Haltung, die der Vogel beim Arbeiten einnimmt, sowie seine Form sind. Wie bei allen Haltungsvögeln kann der Bossu diese besondere Arbeitshaltung nicht dauerhaft einnehmen, da diese durch Muskelleistung des Vogels erbracht wird und daher immer wieder von längeren Ruhephasen gefolgt wird. So unterscheidet man zwischen Aktivitätsphasen, in der bei den Figurenkanarien neben Wasser- und Futteraufnahme auch zeitweise die Arbeitshaltung eingenommen wird, und Ruhephasen, in denen der Vogel schlichtweg ausruht. In diesen Ruhephasen ähnelt die Haltung des Bossu Belge der ganz normalen „vogeltypischen“ Haltung – die Kopfhaltung ähnelt der eines Farbenkanarienvogels, nur noch leicht gewinkelte Sitzhaltung.

Grundvoraussetzung für eine gute Arbeitshaltung sind Sitzstangen mit dem richtigen Durchmesser, die der Vogel gut umgreifen kann und somit für einen guten und festen Stand sorgen. In idealer Arbeitshaltung soll die Silhouette des Vogels, von der Seite betrachtet, die Form einer „7“ zeigen – der Kopf und der Hals sind gerade nach vorne gestreckt, die breiten Schultern sind hochgezogen und bilden dabei den höchsten Punkt der gezeigten Haltung.

Die Merkmale des Bossu Belge
Die Merkmale des Bossu Belge

Rücken und Schwanz bilden im Verlauf eine gerade, senkrechte Linie. Die Brust ist breit und geht übergangslos in gerader Linie zum Bauch über. Diese Brust-Bauch-Linie verbindet in etwas abgewinkeltem Verlauf den Hals mit dem Schwanz, sodass bei seitlicher Betrachtung der Körper die Form eines Dreiecks bildet. Betrachtet man den Körper des Vogels von hinten, so formt der Verlauf der breiten Schultern zu den Flügelspitzen ebenfalls ein Dreieck. Auch von oben betrachtet erkennt man die Ausformung einer Dreiecksform zwischen Schultern und Kopf.

Dreiecke bilden die Form des Bossu Belge in der Arbeitshaltung
Dreiecke bilden die Form des Bossu Belge in der Arbeitshaltung

Der Bossu Belge soll einen leicht abgeflachten, kleinen und ovalen Kopf haben mit kleinem, nicht zu wuchtigen Schnabel.

Der Hals sollte möglichst lang sein, um die geforderten Haltungsmerkmale entsprechend zu unterstützen. Die möglichst langen Flügel müssen eng am Körper anliegen und unterstreichen so ebenfalls die Arbeitshaltung. Der Bossu Belge hat lange Beine. Diese sind in Arbeitshaltung leicht angewinkelt. Die Schenkel sind gut befiedert. Der lange und gut geschlossene Schwanz soll nur eine geringe Einkerbung am Schwanzende haben. Die Körpergröße sollte zwischen 17 und 18 cm betragen.

Er ist in allen Kanarienfarben einschließlich der Schecken in gelb- und in weißgrundig zugelassen. Rotgrundige Vögel sind nicht zugelassen.

Der Bossu Belge wird mit Kennzeichnungsringen der Größe 3,0 mm beringt.

Bossu Belge Braun

Weitere Informationen zum Standard des Bossu Belge finden sie im aktuellen DKB-Positurkanarienstandard.

Der Bossu auf Ausstellungen

Der Bossu Belge wird im Kuppelkäfig mit ovalen Sitzstangen (13 x 8 mm oder 18 x 9 mm, 180 mm lang, +/- 1 mm Toleranz) ausgestellt. Bei der Wahl der Sitzstangen ist darauf zu achten, dass der Käfig mit absolut gleichen, handelsüblichen und industriell gefertigten Sitzstangen ausgestattet ist. Innerhalb einer Kollektion müssen zudem auch alle Käfige mit den gleichen Sitzstangen ausgestattet sein.

Nach überstandener Jugendmauser sollte man die Jungvögel rechtzeitig vor dem ersten Schautermin in Zuchtboxen separieren. Um später vor dem Preisrichter die gewünschte Arbeitshaltung zu zeigen, benötigt auch der Bossu Belge ein längeres und intensives Schautraining. Nur ein ausreichend trainierter Vogel wird sich dem Preisrichter bei der Bewertung mit nach vorne gestrecktem Hals und Kopf sowie senkrecht verlaufender Rücken-Schwanz-Linie in der geforderten Arbeitshaltung präsentieren.

Vor dem Schautraining sollte jeder Vogel unbedingt auf etwaigen Parasitenbefall wie Federlinge oder Milben untersucht und bei Bedarf behandelt werden. Auch sollte kontrolliert werden, ob das Großgefieder vollständig ist. Abgebrochene Schwung- und/oder Schwanzfedern sollten rechtzeitig vor Schaubeginn entfernt werden und können so ggf. bis zum ersten Schautermin nachwachsen. Auch sollten die Zehen kontrolliert werden, denn fehlende Krallen oder gar steife und/oder deformierte Zehen (Schlidderer) stellen einen Ausschlussgrund dar.

An den Schaukäfig kann der Bossu Belge von frühester Jugend an gewöhnt werden, indem ein Kuppelkäfig mit geöffneter Türe an die Absetzbox gehangen wird. Das neugierige Wesen des Vogels lässt ihn recht schnell den Schaukäfig aufsuchen und er verliert in kürzester Zeit seine natürliche Scheu vor der fremden Umgebung und fühlt sich rasch wohl.

Bossu Belge Dominantweiß

Nach der Mauser kann dann mit dem eigentlichen Schautraining begonnen werden. Erst für wenige Stunden, dann für immer längere Zeitabschnitte kann der Bossu im Trainingskäfig verbleiben. Zu diesem Zeitpunkt sollte dem Vogel antrainiert werden, „auf Kommando“ die gewünschte Arbeitshaltung einzunehmen. Hierzu genügt es, durch leichtes Kratzen bzw. vorsichtiges Klopfen am Käfigunterteil die Aufmerksamkeit des Vogels zu erregen. Mit zunehmendem Trainingsfortschritt nimmt er, so animiert, recht schnell die geforderte Arbeitshaltung ein und präsentiert sich seinem Betrachter.

Besonderes Augenmerk ist auf die Trainingsintensität zu legen. Bereits in der älteren Literatur wird immer wieder auf ein maßvolles Training hingewiesen, um der Gefahr eines Übertrainierens der Vögel vorzubeugen. Übertrainierte Vögel reagieren nicht mehr auf die eigentliche Animation des Betrachters und nehmen dann nur noch bedingt die geforderte Arbeitshaltung ein. Idealerweise erfolgt die Bewertung der Position „Haltung“ bereits im Schauregal. Sobald der Preisrichter einen Vogel in Arbeitshaltung bemerkt, sollte er sich eine entsprechende Notiz zur Bewertung der Positionen „Haltung“ und „Form“ machen. Das Punkten der übrigen Bewertungspositionen kann dann auf dem Bewertungstisch erfolgen, ohne dass der Vogel die Arbeitshaltung zeigt. Gibt man den Vögeln nach dem Auftragen genügend Zeit, kann die Bewertung auch auf einem separaten Regal erfolgen – wobei die zu bewertenden Vögel am günstigsten direkt in Augenhöhe aufgereiht werden.

An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass auch der Bossu Belge wegen des notwendigen Kraftaufwandes seine Arbeitshaltung nur zeitweise einnehmen kann und man den Schauvögeln genügend Ruhephasen zur ERHOLUNG einrichten muss. Diese Aussage ist verbunden mit einem Appell an die Schaubesucher, bei ihrem Schaubesuch den Schauvögeln in den Regalen ihre Ruhezeiten zu lassen. Kein Schaubesucher sollte die Schauvögel eigenmächtig durch leichtes Kratzen oder vorsichtiges Klopfen zur Einnahme der Arbeitshaltung animieren und so gegebenenfalls die Ruhephasen der Vögel unterbrechen und stören.

Haltung und Zucht des Bossu Belge

Der Bossu Belge ist, wie alle übrigen glattbefiederten Kanarienrassen auch, durchaus zur Haltung in einer geräumigen Flugvoliere geeignet. Allerdings sollte man bei den Figurenkanarien ein besonderes Augenmerk auf die Auswahl der Sitzstangen legen. Die handelsüblichen Einzelsitze mit Kotauffang in Form eines kleinen Daches unterhalb der Sitzstange sind für die Rassen der Figurenkanarien eher ungeeignet. Viel mehr eignen sich Sitzmöglichkeiten mit separatem und in individuell wählbarer Höhe anzubringen – dem Kotauffang. Hierdurch wird ein Beschmutzen des Schwanzgefieders verhindert, was bei den Einzelsitzen nicht ausgeschlossen werden kann. Die Vögel nehmen in ihren Aktivphasen auch in der Voliere zeitweise ihre Arbeitshaltung ein und beschmutzen sich dann unter Umständen das Schwanzgefieder durch etwaige Kotansammlungen auf den Kotauffängen, sofern diese bauartbedingt einen zu geringen Abstand zu den Sitzstangen haben.

Einzelsitze in der Flugvoliere

Ansonsten ist der Bossu Belge ein sehr agiler und lebendiger Vogel, der auf geringste Veränderungen im Raum und leiseste Geräusche reagiert. Er stellt keine besonderen Anforderungen an die Fütterung und kann ganz normal versorgt werden. In vielen historischen Vogelbüchern wird immer wieder das schlechte Brutverhalten sowie eine geringe Befruchtungsrate der Gelege beim Bossu Belge bemängelt. Durch die Wiederherstellung der Rasse nach dem Zweiten Weltkrieg, unter Hinzunahme verschiedener für das Vorhaben geeigneter Kanarien-Rassen, konnten diese negativen Zuchtmerkmale beseitigt werden und die heute existierenden Zuchtstämme sind sehr vital und erbstabil. Unerwünschte Rassemerkmale, als Überbleibsel der zur Rekonstruktion verwendeten Rassen, sind heute weitestgehend beseitigt. Allerdings sollten man sehr darauf achten, dass die eingesetzten Zuchtvögel keinerlei Ansätze von Frisuren, insbesondere im Brustbereich, zeigen.

Bossu Belge nichtintensiv im Übergang von der Ruhehaltung zur Arbeitshaltung

Bei der Verpaarung muss besonderes Augenmerk auf die Gefiedereigenschaften der Zuchtvögel gelegt werden, da lockeres Gefieder die Konturen des Vogels und somit die Formgebung deutlich stört. So sollte bei der Verpaarung zweier nichtintensiver Vögel zumindest ein Partner eine etwas härtere Feder mitbringen, um lockerem Gefieder entgegenzuwirken. Auch sollte man darauf achten, aufgehellte Vögel mit Melaninvögeln, zumindest aber mit gescheckten Vögeln zu verpaaren, um so ebenfalls zu lockerem Gefieder vorzubeugen. Da intensive Bossu Belge heute recht zahlreich in guter Qualität vorhanden sind, sollte man stets auch einige Verpaarungen von intensiven Vögeln mit nichtintensiven Partnern vornehmen.

Schlusswort

Die bewundernswerte Ausdauer, die Überwindung politisch-kriegerischer und damit verbundener wirtschaftlicher Hindernisse und der überragende Einsatz für die Rekonstruktion der Rasse des Lütticher Züchters Adrien Dawans sowie von vielen weiteren um die Rasse bemühten Züchtern haben letztendlich dazu geführt, dass der Bossu heute als Nationalvogel der Belgier der Nachwelt erhalten geblieben ist.

Von manchen Menschen werden Figurenkanarien als „Qualzucht“ angesehen. In unserem Artikel wird deutlich, dass der Bossu Belge all seine natürlichen Lebensvorgänge ohne Schmerzen, Leiden oder Qualen ausleben kann. Auch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen das. „Die Unterschiede zwischen Farbkanarien und solchen der Rasse Bossu Belge erschienen dagegen deutlich geringer; diesen Vögeln konnte so ein weitgehend arttypisches Verhalten zuerkannt werden.“ Zitat: Krautwald-Junghans (siehe Quellen).

Fachgruppe im DKB

Für den Bossu Belge ist im Deutschen Kanarien- und Vogelzüchterbund e.V. die Fachgruppe der Farben- und Positurkanarien oder die Interessengemeinschaft der glatt befiederten Figurenkanarien e.V. zuständig.

Im Bereich der Sachkunde findet man Erstinformationen zur Kanarienhaltung.

Fragen zum Bossu Belge

Wir haben auf dieser Seite das Wichtigste zum Bossu Belge aufgeführt. Bei weiteren Fragen kontaktieren Sie uns gern.

Quellen und Literatur

Aschenbrenner, A. H.: Der Farben- und Gestalts-Kanarienvogel. Creutzsche Verlagsbuchhandlung, Magdeburg.

Aubac, P.: Le Serin Hollandais. Paris, 1909.

Bade, E: Die Stuben-Vögel – Ausgabe 1895

Blakston, W. A.; Swaysland, W.; Wiener, A. F.: The Book of Canaries and Cage-Birds. London, Paris, New York, 1880

Brandner, O: Der Harzer Kanarienvogel – Ausgabe 1881

Claßen, H., Kolter, W.: Die Positurkanarien. Eigenverlag Rheinmünster, 2005

Dodwell, G. T.; Hills, J. W.: Canary Standards In Colour  – Ausgabe 1986

Dodwell, G. T.: Encyclopedia Of Canaries – Ausgabe 1976

Dodwell, G. T.: The Lizard Canary And Other Rare Breeds – Ausgabe1982

Dodwell, G. T.: The Complete Book Of Canaries – Ausgabe 1986

House, C. A.: Canaries. Philadelphia, 1923.

John, C. St.: Our Canaries. London, 1911.

Krautwald-Junghans, M.-E., Emmelmann, S., Pees, M. und Barthels, Th.: Vergleichende Untersuchungen am Bewegungsapparat von gebogenen Positur- und Farbkanarienvögeln. Vet. Med. Austria / Wien. Tierärztl. Mschr. 90 (2003), 211 – 219

Müller, T., Feiter, U.: Faszination Positurkanarien – eine Leidenschaft für`s Leben. Palm Druck & Verlag, Baesweiler, 2013.

Noorduijn, C. L. W.: Die Farben- und Gestaltskanarien – Ausgabe 1905

Rhan, C.: Der Kanarienvogel. Rudolph´schen Verlagsbuchhandlung, Dresden, 1925.

Robson, J: Scotch Fancy and Belgian Canary – Ausgabe 1903

Robson, J.: Canarie, Hybrids And British Birds In Cage And Aviary. London, New York, Toronto and Melbourne, 1911.

Ruß, K.: Der Kanarienvogel. Seine Naturgeschichte, Pflege und Zucht. Hannover, 1880.

Rutgers, A.: Das grosse Kanarienbuch. Verlag Littera Scripta Manet – Ausgabe 1974

Schramm, N: Kompendium-Kanarien, Band 3, Positurkanarien aus aller Welt. Books on Demand, Norderstedt, 2022.

Smith, F.: The Canary its Varieties, Management and Breeding. London, 1872, 1878, 1893.

Walker, G., Avon, D.: Coloured, Type & Song Canaries. Seacoast Publishing 1999.

Wallace, R. L.: The Canary Book. London, New York, 1892, 1893, 1903

Willems, B: De Posturkanaries – Ausgabe 1981

Positurkanarienstandard des Deutschen Kanarien- und Vogelzüchterbundes e.V. (Stand 2020), Loseblattsammlung

Forum European Federation Ornitofili Onlus

Wikipedia – Die freie Enzyklopädie

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein.
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein