Frühere gebräuchliche deutsche Artnamen waren Tottagirlitz oder auch Hottentottengirlitz. Nach der neuen verbindlichen Liste „Deutsche Namen der Vögel der Erde“ wird er nunmehr Kapgirlitz genannt.
Kapgirlitz
Erinnerungen
Haltung und Zucht des Hottentottengirlitzes
(Pseudochloroptilla totta)
veröffentlicht im „Der Vogelfreund“ 4/2022
Systematik
Pseudochloroptilla totta (Sparrman, 1786) zählt zur Familie der Cardueliden.
Es sind bislang keine Unterarten beschrieben. Als nächster Verwandter gilt der Basutogirlitz (P. symonsi), dem der Artstatus zuerkannt wird. Er ist relativ leicht durch die fehlenden weißen Spitzen der Schwungfedern von P. totta zu unterscheiden
Verbreitung
In der westlichen und südlichen Kapprovinz, überwiegend an Hängen und in Tälern mit gebüschartiger Vegetation anzutreffen. Aber auch an Rändern von Wäldern und Lichtungen.
Haltung
Anfang der 1980er Jahre hatte ich die Hottentottengirlitze zum ersten Male auf einer Ausstellung gesehen. Die Vögel gefielen mir so gut, dass ich sofort Kontakt mit dem Züchter suchte. Es war der leider schon verstorbene Zuchtfreund Robert Schon. Es dauerte aber noch zwei Jahre, bis ich dann 1987 zwei Paare von R. Schon bekommen konnte. Die Vögel waren ja nur ganz selten angeboten und gelangten immer nur als Beifang zu den Vogelhändlern.
Untergebracht waren die Girlitze in Innenvolieren, die im Winter auf 3 bis 10 Grad Temperatur gebracht wurden. Bei meinem Zuchtfreund Rudi Haffner waren die Hottentottengirlitze das ganze Jahr über in einer überdachten und nach drei Seiten geschlossenen Freivoliere untergebracht. Die Finken fühlten sich auch im Winter bei Minustemperaturen sehr wohl.
Der Totta ist ein sehr ruhiger und zutraulicher Pflegling, der sich aufgrund dieser Eigenschaften gut für Ausstellungen eignet. Sein Bedürfnis zu baden ist sehr groß. Denn kaum hatte ich frisches Badewasser angeboten, saß die ganze „Meute“ im Wasser.
Leider waren Frischfänge sehr heikel und es dauerte einige Zeit, bis sie richtig eingewöhnt waren.
Zucht
Die Zuchtpaare waren bei mir immer nur paarweise in Freivolieren von 2x1x2 Meter untergebracht. Ende Februar setzte ich die Paare in die mit Tannengrün ausgestatteten Volieren und brachte zwei bis drei Nester an. Benutzt wurden Kaisernester und Sabel’sche Nistklötze. Baumaterial wurde aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben. Die Paare konnten sich die nächsten vier Wochen gut aneinander gewöhnen.
Anfang April brachte ich Kokosfasern und Scharpie als Baumaterial ein. Die Girlitze fingen dann auch meistens sofort an zu bauen. Acht bis vierzehn Tage später lagen die ersten Eier im Nest.
Die Gelege bestanden aus 4 bis 5 rein weißen Eiern. Von der 1. Eiablage bis zum Schlupf dauerte es 17 Tage. Die Jungen schlüpften dann innerhalb von zwei Tagen. Das Männchen fütterte das Weibchen während der Huderzeit auf dem Nest. Die Nestlingszeit betrug 17 bis 20 Tage. Anfangs waren die Jungvögel noch sehr unbeholfen. Während dieser Zeit hatten die Weibchen meist schon das Nest für die Folgebrut fertiggestellt. Drei bis vier Tage später lagen dann meist schon wieder die ersten Eier im Nest.
Hauptsächlich fütterten die Männchen die Jungvögel weiter. Wurden dabei aber auch vom Weibchen unterstützt. Die Hauptlast der Fütterung fiel jedoch den Männchen zu. Die Jungen waren mit 35 Tagen futterfest und wurden in eine Jungvogelvoliere abgesetzt. Dort konnten sie in einer überdachten Freivoliere fliegen und die Sonnenstrahlen genießen, was ich für die Entwicklung der Girlitze als sehr wichtig erachte.
Geschlechtsbestimmung
Schon bei den befiederten Jungvögeln im Nest bzw. beim Ausfliegen können die Geschlechter bestimmt werden. So sind beim Weibchen die weißen Punkte an den Flügelspitzen nur ganz klein, wogegen sie beim Männchen sehr stark ausgeprägt sind.
Futter
Mein Trockenfuttergemisch bestand aus 40 % Zichoriensamen, 20 % Perilla, 10 % Grassamen, 10 % Negersaat, 10 % Salatsamen schwarz, 10 % Rübsen, Spitzsamen, Mohn, Sesam und Leinsaat.
Kolbenhirse und eine Exotenmischung wurden extra angeboten, wobei Kolbenhirse gerne angenommen wurde. Diese Sämereien wurden ganzjährig gereicht. Meine Sämereienmischung stellte ich immer selbst zusammen und immer so viel, dass es für das ganze Jahr reichte. Damit hatte ich das ganze Jahr über die gleiche Futterqualität, was m. E. sehr wichtig ist.
Als Aufzuchtfutter reichte ich noch die tiefgefrorenen Samenstände von Löwenzahn, Stachellattich und Nachtkerze. Es ist darauf zu achten, dass die Sämereien vorher nicht aufgetaut, sondern quasi aus der Tiefkühltruhe heraus sofort angeboten werden.
Der Stachellattich/Zaunsalat wurde am liebsten genommen. Ferner stand noch Trockeneifutter zur Verfügung von dem auch reichlich gefressen wurde. Weiterhin bot ich Mehlkäferlarven an. Solange keine Jungen im Nest lagen, 6 Stück pro Paar und Tag. Wenn Junge im Nest lagen, etwa 20 Stück pro Tag, welche auch gerne angenommen und verfüttert wurden. Von den Larven wurde jedoch nur das Innere gefressen. Die schwer verdauliche Chitinhülle blieb unbeachtet. Ameisenpuppen und Wiesenplankton wurden auch gefressen, was zur damaligen Zeit noch reichlich zur Verfügung stand. Dies ist heute aus Gründen des Natur- und Artenschutzes nicht mehr zugelassen.
Wildsämereien und Grünfutter
Angeboten wurden Wildsämereien in den unterschiedlichsten Reifestadien wie verschiedene Gräser (Knäuelgras), Hirtentäschel, Kreuzkraut, Fuchsschwanz, Rübsen, Raps, Wegwarte, Stachellattich, Beifuß und diverse Gänsefußarten. Dabei ist der Hottentottengirlitz sehr erpicht auf Grünfutter, von dem reichlich und täglich gefressen wurde.
Weiterhin fütterte ich die Blätter von Beinwell, einer Heilpflanze, die auch sehr gerne angenommen wurden. Außerdem die frischen Blätter des Löwenzahns. Über Winter fütterte ich Chicoréesalat. Frisch in die Voliere eingebrachte Tannenzweige wurden sofort angeflogen und die Nadeln regelrecht „durchgekaut“. Äpfel, Orangen und Mandarinen waren auch sehr begehrt.
In den Herbstmonaten sammelte ich die Samenstände von Wegwarte und Beifuß. Die Beifußrispen wurden getrocknet und im Winter gefüttert. In den Jahren von 1987 bis 1992 züchtete ich in Freivolieren etwa 150 Hottentottengirlitze. Leider ist diese Girlitzart in den letzten 30 Jahren kaum mehr in Liebhaberhand anzutreffen. Bleibt zu hoffen, dass die nur noch sehr spärlich vorhandenen Restbestände erhalten werden können.
Literatur
CLAßEN, H., MASSOTH, Kh. (1992): Handbuch der Cardueliden, Bd. 1, Hanke Verlag
FEY, A. (1981): Der Hottentottengirlitz (Serinus totta), Kanarienfreund JG 1981