Norwich gescheckt
Norwich gescheckt (Foto: Norbert Schramm)

Steckbrief des Norwich-Kanarienvogels

Der Norwich-Kanarienvogel ist eine glatt befiederte, große domestizierte Kanarienrasse aus England. Die Vögel dieser Rasse haben ein sehr dichtes Gefieder und eine kompakte bullige Gestalt.

Inhaltsverzeichnis

Die Geschichte der Norwich Kanarien

Die wohl am häufigsten mit den britischen Inseln assoziierte Kanarienrasse ist ohne Zweifel der Norwich, den die britischen Kanarienliebhaber, in Anlehnung an eine Karikatur, liebevoll „John Bull“ nennen. John Bull ist ein untersetzter Mann, der das Königreich verkörpert.

Letztendlich namensgebend für diese Rasse ist die englische Stadt Norwich, wo sich Woll- und Seidenweber mit der Zucht dieser Kanarienrasse beschäftigten.

Um die Geschichte des Norwich-Kanarienvogel rankt sich eine ähnliche Legende, wie wir sie von der Geschichte des Lizard kennen. Die verfolgten Calvinisten aus den spanischen Niederlanden flüchteten auf die britische Insel und nahmen ihre Kanarien mit. Das schon damals ein reger Handel mit Kanarienvögeln getrieben wurde, wird dabei außeracht gelassen.

Mitte des 19. Jahrhunderts zählte der Norwich in England zu den wohl beliebtesten Kanarienrassen. Die Züchtungen der verschiedenen Züchter gingen hierbei jedoch weit auseinander, und es existierten zu dieser Zeit gar zwei Rasseausprägungen: Der Norwich ohne Haube (Norwich-Plainhead) und der Norwich mit Haube (Crested-Norwich).

Norwich mit Haube um 1887
Norwich mit Haube um 1887 (Zeichnung: Vincent Brocks)
Norwich ohne Haube um 1887
Norwich ohne Haube um 1887 (Zeichnung: Vincent Brocks)

Um 1870 begann man durch Einkreuzen von Lancashire Coppy in die Crested-Norwich eine separate Rasse, die Crest-Vögel, zu erzüchten. Die Norwich-Plainhead-Züchter hingegen versuchten durch gezielte Einkreuzung von Lancashire Plainhead, sowie durch gezielte Selektion, die Rassemerkmale des Norwich zu verbessern.

Norwich um 1911
Norwich um 1911

Die heutigen Norwichs haben allerdings keinerlei Ähnlichkeiten mehr mit den damals existierenden Vorfahren. Sie waren kleiner und bei weitem feiner und zarter als die heutigen Norwich. Kopf und Brust waren noch nicht, wie heute gefordert, rundlich. Im Wesentlichen hatte er eine recht glanzlose Gefiederstruktur und nur wenig Farbbrillanz. Das seidig weiche Gefieder holte man nachträglich durch das Einkreuzen von Lizard-Kanarien in die Norwich-Zuchtstämme.

Letztendlich trennten sich die Wege beider Rasseausprägungen im Jahre 1890. Bei einem Treffen von ca. 400 Norwichzüchtern im Crystal-Palace wurde ein Standard bezüglich des Typs und der Größe (16,5 cm) für die Norwich festgelegt. Ab nun sollte der Typ vor der Farbausprägung und allen anderen Merkmalen rangieren. Somit kann das Jahr 1890 als eigentliches Entstehungsjahr des heutigen Norwichs bezeichnet werden. Erst 1901 gründete sich der erste Spezialclub, der „Norwich Plainhead Club“.

Beschreibung und Merkmale der Rasse

Der Norwich zeichnet sich durch seine große, kompakte Erscheinung aus. Als Zuchtziel lässt sich massige Rundheit und ein äußerst kompaktes Erscheinungsbild definieren. Man kann seine Körperform auch als kurz, gedrungen, untersetzt und bullig beschreiben. Auf der Bewertungskarte ist die Bewertungsposition „Körper“ als erste, und damit wesentlichste Position aufgeführt.

Der Rücken soll breit und gut gefüllt sein. Hals und Nacken sollen so kurz wie möglich, im Idealfall überhaupt nicht erkennbar sein. Hals, Brust und Bauch verlaufen in Form einer tiefen, herabgezogenen Bogenlinie. Der Vergleich: Bauch wie ein Gänseei und Kopf wie ein Taubenei ist in diesem Zusammenhang treffend.

Norwich Körperform
Norwich_Beschreibung
Die Merkmale des Norwich

Zu den rassespezifischen Merkmalen gehören insbesondere die allseits runden Formen, deren Harmonie, der allseits gerundete Kopf mit fülliger Stirn und vollen Wangen („bulk up“), sowie das seidige Gefieder. 

Die Größe des Norwichs beträgt seit der ersten Standardbeschreibung im Jahre 1890 6 1/4 Inch (ca. 16 cm) und er zählt somit zu den großen, glatt befiederten Rassen.

Der Norwich ist in allen Kanarienfarben einschließlich der Schecken zugelassen. Allerdings ist die Einkreuzung erblich roter Kanarien im Mutterland verpönt. Vielmehr wird dort eine Farbfütterung vorgenommen, um eine orangene Federfärbung zu erreichen.

Aufgrund der Federfülle bilden die Federn Überaugenwülste. Diese sollen sich auf den Bereich oberhalb der Augen beschränken, damit die Augen unbedeckt bleiben.

Hier stoßen wir gegenwärtig auf ein züchterisches Problem. Die Federn der Überaugen-wülste wurden immer länger und hängen heute bei manchen Norwichs bis in die Augen hinein. Die Augen sind bestenfalls nur noch von vorn sichtbar. In keinem Standard wird dies beschrieben! Im Gegenteil: Es wird in allen Standards gefordert, dass die Augen frei sind. Dieser Übertypisierung ist aus Tierschutzgründen bei Bewertungen und in der Zucht entgegenzutreten.

Norwich Kopfstudien
Links: allseits runder Kopf mit frei sichtbaren Augen. Die anderen Kopfstudien zeigen die Übertypisierung eines runden Kopfes, bei denen die Augen nur noch von vorn sichtbar sind.

Wenn man den Vogel von vorn ins Gesicht schaut und beide Augen sehen kann, kann der Vogel binokular sehen. Allerdings können Norwichs mit sehr ausgeprägten Überaugenwülsten, ohne den Kopf zu drehen, keine Objekte sehen, die sich oberhalb des Kopfes befinden.[1] Vögel mit solch einer Übertypisierung werden auf Ausstellungen disqualifiziert oder die Vögel werden mit einem deutlichen Punktabzug bestraft.

Weitere Erläuterungen finden Sie im aktuellen Standard für Positurkanarien.

Der Norwich auf Ausstellungen

Nachdem sich der Norwich den Sommer über in einer geräumigen Flugvoliere vollständig entwickeln konnte und die Mauser gut überstanden hat, sollte man ihn mindestens sechs Wochen vor dem ersten Schautermin einzeln in eine Zuchtbox verbringen.

Beschädigtes Großgefieder kann zu diesem Zeitpunkt noch problemlos entfernt werden. Es wird bis zur ersten Vogelschau wieder nachgewachsen sein. Auch können verlorene Deckfedern in Ruhe nachwachsen. Weiterhin sollte jeder Vogel zu diesem Zeitpunkt auch auf etwaigen Federling- bzw. Milbenbefall untersucht werden.

Der Norwich ist ein sehr ruhiger Vogel. Er benötigt vor Vogelschauen so gut wie kein spezielles Schautraining. Es ist völlig ausreichend, wenn man ihn wenige Tage vor der ersten Vogelschau an den Schaukäfig gewöhnt. Mit einer Gemütsruhe und völlig gelassen präsentiert sich der Norwich schon nach kurzer Zeit im Schaukäfig.

Bezüglich der Farbausprägung ist der Norwich in allen Kanarienfarben inklusive der Schecken zugelassen.

Die im Mutterland England praktizierte Orange-Farbfütterung ist zwar auch in Deutschland mittlerweile gang und gäbe, jedoch nicht zwingend vorgeschrieben. Allerdings ist die Leuchtkraft des Gefieders sowie der seidige Eindruck des Gefieders bei farbgefütterten Vögeln wesentlich stärker ausgeprägt als bei Vögeln die nicht farbgefüttert wurden. In jedem Fall ist die Gleichmäßigkeit der Farbausprägung ein wichtiges Kriterium. Daher muss insbesondere bei der Gabe von Farbstoffen auf deren gleichmäßiger Dosierung geachtet werden. Anderenfalls erscheint das Gefieder nach der Mauser wolkig und zeigt Areale mit unterschiedlich stark gefärbtem Gefieder. Die erste Farbfuttergabe bei Jungvögel erfolgt nach dem Absetzen um den 30.-31. Lebenstag.

Norwich Gelb
Norwich aufgehellt Gelb nichtintensiv (Foto: unbekannt)
Norwich gescheckt
Norwich gescheckt nichtintensiv (Foto: Thomas Müller)
Norwich Melanin
Norwich Melanin nichtintensiv, mit Farbstoff gefüttert (Foto: Thomas Müller)

Das Großgefieder soll bei Jungvögeln (unflighted birds) nicht ausgefärbt sein. Hingegen ist das Großgefieder der Altvögel (flighted birds) vollkommen ausgefärbt, denn sie wechseln im Gegensatz zu den Jungvögeln während der Mauser auch die Schwung- und Schwanzfedern.

Zur Farbfütterung von Norwich werden heute insbesondere Produkte mit einem Gemisch aus Canthaxanthin und Apo-Carotinal eingesetzt.

Die Haltung und Fütterung der Norwich-Kanarien

Außerhalb der Zuchtzeit ist der Norwich durchaus zur Haltung in geräumigen Flugvolieren geeignet und es lässt sich zweifelsohne eine positive Auswirkung auf seine Entwicklung feststellen. Hierbei ist der Norwich eine eher unauffälliger und zeitweise gemütlich wirkender Volierenbewohner.

Die Käfigausstattung unterscheidet sich nicht von denen anderer Kanarienrassen. Allerdings sollte insbesondere zur Pflege des Gefieders immer eine Badegelegenheit angeboten werden. Der Norwich kann auch mit einer Sprühflasche mit Wasser angesprüht werden um ihn zur Gefiederpflege zu animieren.

In der Fütterung ist der Norwich nicht besonders anspruchsvoll. Er benötigt aber zum Aufbau seiner Federfülle mehr Proteine als kleinere Rassen. Das Eifutter kann deshalb etwas kräftiger ausfallen und auch in etwas größeren Portionen verabreicht werden. Das Körnerfutter sollte einen höheren Anteil an kohlehydratreichen Sämereien haben als es für andere Rassen oder Farbenkanarien üblicherweise verwendet wird. In der Körnermischung sollte deshalb der Anteil an Kanariensaat, Haferkerne und Hirse etwa 50% betragen. Leinsamen und Leindotter haben wichtige Inhaltsstoffe, die den Federaufbau günstig beeinflussen.

Tipps zur Zucht des Norwich

Vor dem Zuchtbeginn sollte rund um die Kloake das Gefieder eingekürzt werden, um die Befruchtungsrate zu erhöhen. Allerdings dürfen die Tastfedern rund um den Kloakenrand nicht gekürzt oder gar entfernt werden. Diese benötigen die Vögel um den Tretakt „treffsicher“ ausführen zu können.

Vom ruhigen, etwas trägen Norwich wird nur selten Streit mit anderen Vögeln ausgehen. Dieser vermeintliche Vorteil, geht in der Paarungszeit ins Gegenteil über. Die Männchen sind oft wenig feurig und umwerben das zugedachte Weibchen nur sehr zurückhaltend. Die Paare benötigen eine längere Anlaufzeit. Eine möglichst frühe Paarzusammenstellung ist deshalb anzuraten.

Norwich weiß
Norwich aufgehellt Weiß (Foto: unbekannt)

Das Phlegma dieser Rasse führt auch dazu, dass die Weibchen sehr gut und ausdauernd die Eier bebrüten, aber die Jungen nicht oft genug füttern. Um das zu umgehen, lassen manche Züchter die Jungvögel durch Ammen großziehen. Damit wird dieses unerwünschte Verhalten jedoch auf längere Sicht verstärkt. Eine Zuchtauslese auf gute Elterneigenschaften ist auf Dauer der richtige Weg.

Zur Zucht sollte der Norwich paarweise in großzügig bemessene Zuchtboxen, mit einer Mindestlänge von 80 cm und eine Breite und Höhe von je mindestens 50 cm haben.

Zusammenstellung der Zuchtpaare

Bei der Zusammenstellung der Zuchtpaare ist zwingend die Federtextur zu beachten. Es müssen möglichst Vögel mit gegensätzlichen Federeigenschaften miteinander verpaart werden. Damit wird dem gefürchteten Lumps entgegengewirkt. Vögel, die an Lumps leiden, werden von der Fortpflanzung ausgeschlossen, selbst wenn sie von den Federzysten befreit worden sind.

Die gelegentliche Einkreuzung brauner Norwich, in England „Cinnamon“ genannt, kann ein hartes Federwerk weicher gestalten. Eine zu häufige Verwendung brauner Vögel kann das Gefieder jedoch schnell zu weich und locker werden lassen.

Ähnliches gilt für die Zucht mit dominantweißen und dominantweißgrundigen Norwich. Hier gilt die Regel: niemals zwei dominantweiße Vögel miteinander verpaaren! Ein Partner muss immer gelb oder gelbgrundig sein. Da es auch bei den Weißen intensive und nichtintensive Vögel gibt, diese aber nicht an einem „Schimmelrand“ der Feder erkennbar sind, muss der Federtextur besondere Beachtung geschenkt werden.

Text: Thomas Müller, Uwe Feiter – aktualisiert durch Norbert Schramm

Fachgruppe im DKB

Im Deutschen Kanarien- und Vogelzüchterbund e.V. ist die Fachgruppe der Farben- und Positurkanarien für den Norwich zuständig.

Im Bereich der Sachkunde findet man Erstinformationen zur Kanarienhaltung.

Fragen zum Norwich

Wir haben auf dieser Seite das Wichtigste zum Norwich-Kanarienvogel aufgeführt. Bei weiteren Fragen kontaktieren Sie uns gern.

Quellen und weiterführende Literatur

[1] Steinmetz A, Krautwald-Junghanns M-E, Bartels T. Vergleichende Untersuchungen des äußeren Auges und zur Sehfähigkeit von Positurkanarienvögeln der Rasse Norwich und Farbkanarienvögeln. Tierärztl Prax. 2002;30(K):461-6

Positurkanarienstandard des Deutschen Kanarien- und Vogelzüchterbund e.V. (Stand 2020), Loseblattsammlung

A. Blakston, W. Swaysland, A. F. Wiener: The Book of Canaries and Cage-Birds, British and Foreign. London, Paris, New York, 1880. Elektronische Ausgabe unter: https://www.biodiversitylibrary.org/item/101262#page/7/mode/1up

H. Claßen, W. Kolter: Die Positurkanarien. Eigenverlag Rheinmünster, 2005.

T. Müller, U. Feiter: Faszination Positurkanarien – eine Leidenschaft für’s Leben. Palm Druck & Verlag, Baesweiler, 2013.

N. Schramm: Kompendium-Kanarien, Band 3, Positurkanarien aus aller Welt. Books on Demand, Norderstedt, 2022.

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